Pforzheimer Juden leben in Angst: Christen setzen mit Menschenkette um Synagoge Zeichen

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel haben auch Pforzheimer Juden Angst. Rund 300 evangelische Christen bekundeten mit einer symbolischen Aktion den jüdischen Mitbürgern ihre Solidarität.

Mit einer Menschenkette symbolisierten Christen am Samstag ihre Bereitschaft zum Schutz der Synagoge und der jüdischen Mitbürger. Foto: Birgit Metzbaur

von Birgit Metzbaur

28. Okt. 2023  |  17:55 Uhr 2 Minuten 30. Okt. 2023

„Fürchtet euch nicht“, stand auf dem großen Banner, den Christen aus evangelischen Kirchen und Freikirchen am Samstag zur Mahnwache mitgebracht hatten. Als Menschenkette stellten sie sich mit Israel-Flaggen in der Hand zum symbolischen Schutz vor der Synagoge in der Pforzheimer Emilienstraße auf.

Rund 300 Menschen waren dem Aufruf der Evangelischen Allianz Pforzheim, einem Netzwerk evangelischer Christen, gefolgt, um den jüdischen Mitgliedern vor der Synagoge ein Signal zu senden. „Wir stehen an eurer Seite. Ihr seid nicht alleine. Wir leiden mit euch. Und wenn es uns möglich ist, wollen wir für euch da sein“, erklärte der Sprecher der Evangelischen Allianz Pforzheim, Uli Limpf.

„Diese Unterstützung bedeutet uns sehr viel“, bedankte sich Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim, in einer kurzen Ansprache zu Beginn der Mahnwache. „Die Sicherheit in Israel ist am Boden“, konstatierte Suliman.

Diese Unterstützung bedeutet uns sehr viel.

Rami Suliman
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim

„Nie wieder“, war das große Versprechen aus den Lehren des Zweiten Weltkriegs; nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Doch „nie wieder“ sei vorbei, es passiere schon wieder in Israel. Im „Fluchtort Israel“, dem Ort, an den jüdische Menschen auf der ganzen Welt denken, wenn sie an einen sicheren Zufluchtsort denken, wurden vor wenigen Wochen 1.400 Menschen von Mitgliedern der Hamas, die international als Terrororganisation eingestuft wird, grausam ermordet. „Das macht unsicher“, erklärt Suliman. Juden haben keinen sicheren Ort mehr auf dieser Welt.

Pforzheimer Juden bleiben der Synagoge fern – aus Angst

Auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Pforzheim haben wieder Angst. Sie haben Angst, ihren Gottesdienst zu feiern, sich zum Gebet zu treffen, ihre Kinder in die Synagoge zu schicken oder einfach Gemeinschaft zu haben. Auch diesen Samstag kamen nur 25 Menschen zum Gottesdienst in die Synagoge. Vor den Anschlägen der Hamas in Israel seien 50, manchmal sogar 80 Mitglieder der jüdischen Gemeinde zum Gottesdienst gekommen, berichtet Suliman auf Nachfrage dieser Redaktion.

Zwar seien für Pforzheim keine konkreten Erkenntnisse zu möglichen Anschlägen bekannt, „doch die Menschen haben trotzdem Angst“. Zumal die Hamas erst kürzlich wieder gedroht hat, weltweit Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Synagogen zu verüben.

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Viele Menschen, die am Samstag über den Emiliensteg vom und zum Wochenmarkt gingen, schauten zuerst mit fragenden Blicken auf die vielen Menschen der Mahnwache. Manch einer erkundigte sich bei den anwesenden Polizistinnen und Polizisten, was der Anlass für den Menschenauflauf sei. Kritische Stimmen von Passanten oder kontroverse Diskussionen gab es keine. Im Gegenteil, hier und da gab es zustimmendes Nicken und ein freundliches Lächeln in Richtung der Menschenkette.

Pforzheimer Christen bilden schweigend eine Menschenkette

Die Versammlung war eine stille Mahnwache. Die Menschen standen schweigend in der Menschenkette. Sie verbrachten Zeit „in stillen Gebeten für den Nahen Osten, für Israel, für die Zivilbevölkerung in Israel und im Gazastreifen“, wie es in der Ankündigung hieß, und bildeten Gebetsgemeinschaften in kleinen Gruppen.

Limpf hatte im Vorfeld die Presse darum gebeten, nicht über der geplante Mahnwache zu berichten. „Wir wollen keine antisemitischen Kräfte, die es durchaus aus verschiedenen Richtungen gibt, auf den Plan rufen und es keinesfalls zu Konfrontationen oder Gegendemonstrationen kommen lassen“, begründete der Versammlungsleiter seine Bitte.

Nach dem Lied „Shalom chaverim“ (Gelobt sei Gott), das die Teilnehmenden der Mahnwache und jüdische Gottesdienstbesucher gemeinsam anstimmten, ging die Mahnwache, so friedlich wie sie begonnen hatte, zu Ende.